14:00 Uhr Elena Fischer
Paradise Garden. Roman. Diogenes. Zürich, 23. Aug 2023
14:30 Uhr Lion Christ
Sauhund. Roman. Hanser. München, 21. Aug 2023
15:00 Uhr Mirko Bonné
Alle ungezählten Sterne. Roman. Schöffling. Frankfurt a. M., Jul 2023
15:30 Uhr Charlotte Gneuß
Gittersee. Roman. S. Fischer. Frankfurt a. M., 30. Aug 2023
16:00 Uhr Yevgeniy Breyger
Frieden ohne Krieg. Gedichte. kookbooks. Berlin, Apr 2023
16:30 Uhr Ulrike Draesner
Die Verwandelten. Roman. Penguin. München, Feb 2023
Marlen Hobrack musste ihre Teilnahme leider absagen.
17:00 Uhr Dinçer Güçyeter
Unser Deutschlandmärchen. Roman. mikrotext. Berlin, Nov 2022
17:30 Uhr Kathrin Röggla
Laufendes Verfahren. Roman. S. Fischer. Frankfurt a. M., Jul 2023
18:00 Uhr Nico Bleutge
schlafbaum-variationen. Gedichte. C.H. Beck. München, Feb 2023
18:30 Uhr Peter Stamm
In einer dunkelblauen Stunde. Roman. S. Fischer. Frankfurt a. M., Jan 2023
Moderation: Maike Albath, Anne-Dore Krohn, Dirk Kruse, Hajo Steinert, Beate Tröger, Miriam Zeh
Haupt- und Nebenpodien Schlossgarten bzw. Redoutensaal, Bühnenhaus und Oberes Foyer: FM-Anlage für Hörgeschädigte – Ausleihe an der Information
„Die Inventur des Sommers“
„Der Anfang war der letzte Tag vor den Sommerferien. Der Anfang war ein Song im Radio. Der Anfang waren große Pläne. Vielleicht war der Anfang alles zusammen.“ Mit einem Debüt beginnt der erste Lesenachmittag: Elena Fischers druckfrischer Roman, mit dem sie in Auszügen bereits beim 29. open mike 2021 Erfolge feierte, trägt den für Erlangen so passenden Titel „Paradise Garden“. Dabei ist das Leben der 14-jährigen Billie in einer Hochhaussiedlung am Stadtrand gar nicht paradiesisch. Eines Tages macht sie sich auf den Weg ihren unbekannten Vater zu finden und herauszubekommen, warum sie so oft vom Meer träumt, obwohl sie noch nie da war (Sa, 14:00 Uhr).
Auch „Sauhund“ von Lion Christ ist ein Romandebüt. Im München der 1980er-Jahre ist jeder eigene Schritt eine kleine Befreiung. Flori rennt davon und flüchtet vor allen Erwartungshaltungen in die damals legendäre Münchner Clubszene – solange, bis er bei sich selbst ankommt (Sa, 14:30 Uhr).
Was fängt man mit dem Leben an, wenn die Tage gezählt sind? Das muss Benno Romik, ehemals Brückenkommissar in Hamburg, sich in Mirko Bonnés gerade erschienenen Roman „Alle ungezählten Sterne“ fragen, als er mit einer tödlichen Diagnose konfrontiert wird. Während er um Fassung ringt und überlegt, was und wer ihm für seine präzise errechnete Restzeit wichtig ist, wird sein Leben gewaltig durcheinandergeworfen. „Bonné zeigt uns mit dem Schwung des selbstbewussten Virtuosen die Hintergrundstrahlung der irdischen Verhältnisse“, so Hubert Winkels unlängst in Die Zeit (Sa, 15:00 Uhr).
Der Poetenfest-Samstag ist der Tag der Debüts. Auch „Gittersee“ ist der erste Roman von Charlotte Gneuß. Erscheinen wird er offiziell erst am Mittwoch nach dem Poetenfest, bereits im Vorfeld wurde er mit dem Jürgen Ponto-Preis ausgezeichnet. Gneuß versetzt uns in das Jahr 1976 in einen Dresdner Vorort. Karin, die Hauptfigur des Romans, ist 16 Jahre alt, hütet ihre kleine Schwester und hilft der Großmutter im Haushalt. Als Karins Freund zu einem Ausflug aufbricht und nicht mehr zurückkommt, stehen eines Nachts zwei Uniformierte vor der Tür und Karins Welt gerät aus den Fugen (Sa, 15:30 Uhr).
Beim diesjährigen Ingeborg-Bachmann-Preis ließ der aus der Ukraine stammende Schriftsteller Yevgeniy Breyger mit einem Text über seinen Vater aufhorchen. In Erlangen ist er als Lyriker zu Gast und stellt seinen Gedichtband „Frieden ohne Krieg“ vor. Er beginnt mit einem tagebuchartigen erzählenden Langgedicht in einfacher mündlicher Sprache, das die Geschichte seiner jüdischen Familie während des Holocausts bis hin zur Flucht aus der Ukraine nach Beginn des russischen Angriffskriegs beschreibt. Die Schriftstellerin Marjana Gaponenko bemerkt dazu im SWR, „dass man buchstäblich zusehen kann, wie hier auf den Seiten gekämpft wird: um eine adäquate Sprache, einen Ton, um den Atem, der dem Dichter verschlagen wurde“ (Sa, 16:00 Uhr).
In „Die Verwandelten“ erzählt Ulrike Draesner die Geschichten mehrerer Frauen, die alle durch Erfahrungen von Flucht, Gewalt und Krieg miteinander verbunden sind: eine nationalsozialistische Vorzeigemutter, eine Köchin, die lieber Frauen geliebt hätte, ein in einem Münchner Lebensbornheim geborenes Mädchen und eine alleinerziehende Anwältin in der Jetztzeit, die eine Wohnung in Wrocław erbt und so ihrer polnischen Familie näherkommt. Ihre Erlebnisse haben sie verwandelt, ihnen die Sprache genommen und doch ist da eine unsichtbare Kraft, die sie standhaft bleiben und sich neu erfinden lässt. Ulrike Draesner gibt den Frauen ihre Stimme zurück – mutig, humorvoll und stark (Sa, 16:30 Uhr).
„Traditionell wie innovativ queer erzählt, reißt einen diese Einwanderergeschichte mit ihrer Emotionalität und großen politischen Bedeutung von Anfang an mit. Der Roman blickt auf deutsche und europäische Verhältnisse, lässt die Worte zum Himmel fliegen, spart aber gleichzeitig die Demütigungen am Boden nicht aus.“ So urteilte die Jury und zeichnete Dinçer Güçyeters Familiengeschichte „Unser Deutschlandmärchen“ mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2023 aus (Sa, 17:00 Uhr).
„Kein Schlussstrich!“ – das war die Forderung vieler nach dem Urteil des NSU-Prozesses. Zu wenig wurde aufgeklärt, zu viel politisch versprochen. Kathrin Röggla nimmt in „Laufendes Verfahren“ bewusst die unprofessionelle Perspektive eines „Wir“ ein, das oben auf den Zuschauerrängen sitzt. Doch wer sind „wir“ eigentlich, wenn jedes „Wir“ durch den Prozess in Frage gestellt wird? Mit großer Genauigkeit, aber auch mit Komik und Musikalität, erzählt Rögglas Roman von den Rollen und Spielregeln des laufenden Verfahrens, um zu einer radikal offenen, vielstimmigen Form der Aufklärung zu kommen (Sa, 17:30 Uhr).
Frisch mit dem Jean-Paul-Preis ausgezeichnet kommt der Lyriker Nico Bleutge nach Erlangen. In seinen „schlafbaum-variationen“ folgen wir Staren und Falken an den Tiber, wo im Rahmen eines Stipendiums in der Villa Massimo ein Teil seiner neuen Gedichte über die elementaren Widersprüche und Veränderungen unserer Gegenwart entstand. Mit großem sprachlichem Gespür geht Bleutge den Lücken in der Wahrnehmung nach und zeigt uns die Kraft der Wörter – klangstark, lustvoll, ebenso konkret wie imaginär (Sa, 18:00 Uhr).
Mit einem großen Namen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur endet der Samstagnachmittag: „In einer dunkelblauen Stunde“, dem neuen Roman von Peter Stamm, geht es um einen Schriftsteller, über den ein Dokumentarfilm gedreht werden soll. Tatsächlich korrespondiert damit ein Film über den realen Autor Stamm, der sich wiederum mit der Frage nach Wahrheit und Fiktion befasst und Elemente aus dem Roman aufgreift und ebenfalls beim Poetenfest in den Lamm-Lichtspielen zu sehen ist. „Alles ist Erfindung“, resümiert Maike Albath ihre Lektüreerfahrung der Mehrebenen-Geschichte im Deutschlandfunk (Sa, 18:30 Uhr).