Durs Grünbein, Marcel Beyer oder Uwe Tellkamp haben Dresden – seiner Gartenkolonie Hellerau, „Putins Briefkasten“ in der Radeberger Vorstadt und dem Villenviertel „Weißer Hirsch“ – literarische Denkmäler gesetzt. Charlotte Gneuß schreibt einen Gegenentwurf zum bildungsbürgerlichen Dresden dieser Autoren. Sie erzählt in ihrem Debütroman vom industriell geprägten Vorort „Gittersee“ und von Karin Köhler, genannt Komma. Diese ist Mitte der 1970er 16 Jahre alt und hat gerade ihre erste große Liebe verloren. Paul hat Republikflucht begangen, behaupten zumindest die zwei Uniformierten, die eines nachts bei Karins Eltern klingeln. Charlotte Gneuß beschreibt das Seelenleben einer jungen Frau, die im Moment größter emotionaler Verwundung vom Staatssicherheitsapparat der DDR unter Druck gesetzt wird. In kunstvollem Rhythmus und spannungsvoll ineinander verwobenen Szenen bricht in den Alltag, in die Liebe und Fürsorge einer jungen Frau die ganze Brutalität eines Systems. Gneuß fasst sie in Sätze, die bleiben.
1992 in Ludwigsburg geboren, hat die Autorin für diesen Vorwende-Roman mit Familienmitgliedern, ihren Eltern und Großeltern, gesprochen. Bevor sie mit dem Schreiben begann, arbeitete Gneuß als studierte Sozialarbeiterin in einem Asylbewerber:innenheim und einer Kindertagesstätte. Ihre Literatur geht aus von den Übersehenen, den Überhörten und versteht sich auch als gesellschaftspolitische, empathische Praxis. (M. Z.)
Veröffentlichungen (zuletzt):
Veröffentlichungen (zuletzt):
– „Glückwunsch. 15 Erzählungen über Abtreibung“, Hrsg. zus. mit L. D. Weber, Hanser Berlin, 2023
– „Gittersee“, Roman, S. Fischer, Frankfurt a. M., August 2023